Andrea N., Wintersemester 2016

Seit ich Ostern 1978 das Gymnasium in der Obersekunda geschmissen habe, habe ich das bereut. Immer wieder malte ich mir aus, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich das nicht getan hätte. Ich fragte mich: Hätte ich mein Abitur überhaupt geschafft? Es folgten Ausbildung (Zahntechnik – den Beruf habe ich immer gehasst), Familie, Kinder, wie das so ist.
2013 erzählte mir jemand von der Möglichkeit, am Tageskolleg oder am Abendgymnasium das Abitur nachzuholen. Mutterseelenallein ging ich noch im selben Jahr zum Sommerfest des Abendgymnasiums und sah mir alles an. Die vielen Studierenden, die engagierten Lehrer, die Bons verkauften, am Grill standen oder Getränke ausschenkten. Nach einer Weile fragte ich die Lehrerin, die an der Bonkasse saß, ob es Altersbeschränkungen für die Aufnahme an der Schule gebe und welche Voraussetzungen man brauche. Die 2. Fremdsprache und eine abgeschlossenen Berufsausbildung konnte ich nachweisen, mittlere Reife hatte ich, ebenso Berufserfahrung. Das klang vielversprechend.
Auf meinen Einwand, ich sei ja wohl voll der Methusalem, begegnete man mir mit Lachen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte es einen Studierenden gegeben, der über 70 Lenze zählte, und der Älteste überhaupt sei über 80 gewesen. Das hat mich überzeugt. Einige Wochen nach dem Sommerfest hatte ich die Anmeldung auf dem Tisch. Ich war ab jetzt Studierende des Wintersemesters 2014!
Jetzt war es so weit: Ich kam in die E-Phase. Mein letzter Schultag war schon etwas her, aber wir hatten so nette und einfühlsame Lehrer. Sie gaben sich sehr viel Mühe, damit auch alle mit dem Unterrichtsstoff mitkamen. Wenn man mal daran dachte, das Handtuch zu werfen oder persönliche Probleme hatte, stand die Schulpsychologin Frau Michels zur Verfügung oder auch der jeweilige Klassen- oder Stufenleiter. So verging Semester um Semester. Die Zeit verflog im Nu. Es wurde gemeinsam für Klausuren gelernt, Referate und Vorträge gehalten. Dann wurden die abiturrelevanten Leistungskurse gewählt. Zum Glück konnte ich Mathe abwählen. Ich hatte eine reelle Chance, meinen Traum zu verwirklichen….
Die Abiturklausuren waren am Ende  gar nicht so schwer, wie ich es mir immer vorgestellt hatte.
Endlich durfte ich im Dezember mein Hochschulreifezeugnis in Empfang nehmen. Ich war megastolz, denn ich hatte sogar mit 2,2 abgeschlossen. Der Zeugnisübergabe und unser Abiball waren legendär!
In der Zeit an der Schule habe ich zahlreiche riesig nette junge Menschen kennen gelernt, von denen viele meine Kinder sein könnten. Ich habe mich trotzdem immer sehr wohl und akzeptiert gefühlt und Freunde gefunden. Sicher kostet es einiges an Disziplin und Durchhaltevermögen, vor allem wenn man abends in die Schule fahren und sich auch noch bis halb 10 konzentrieren muss, während die Freunde schon Feierabend haben und irgendwo  „rumchillen“. Aber Leute: Es lohnt sich, sich Mühe zu geben, wenn man ein solches Ziel hat. Ihr schafft das auch!

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