Non scholae, sed vitae discimus!
Seneca hat nicht verhindert, dass ich vor fast vierzig Jahren meine gymnasiale Karriere unterbrach und mich den wichtigen Dingen des Lebens zuwandte: Geld verdienen und mir beruflich den Traum meiner Kindheit zu erfüllen. Was auf der Strecke blieb, war die Eintrittskarte zu Höherem, zum Studium und – vielleicht – am Ende einer Professur an einer Universität! Ich gebe zu, das ist ein bisschen dick aufgetragen, aber das hätte mein Gewinn sein können, wenn ich nicht zu früh die Flinte ins Korn geschmissen hätte…
Jahrzehnte später, fast am Ende meiner beruflichen Laufbahn, stand ich vor der Frage, was ich mache, wenn ich in Rente gehe. Mir ein Kissen zu kaufen, mich damit ins Fenster zu legen und die Nachbarschaft zu beobachten, quasi als Kontroletti 2.0, erschien mir für den Rest meines Lebens doch etwas langweilig. Ein Studium an einer Fachhochschule oder Universität ist da wohl interessanter – das Erreichen des Rentenalters ist nicht das Lebensende. Leider fehlte mir für die Reise in die Welt des Wissens eine gültige Fahrkarte.
In einem Gespräch mit einem jungen Menschen wurde mir klar, dass ich mich um meinen Fahrausweis selber bemühen musste. Da lag das Abendgymnasium nahe, berufsbegleitend, d.h. nach acht Stunden Arbeit nochmal zu Schule zu gehen und das Abitur zu machen. Ehrlich gesagt, ich hatte keine Schwierigkeiten, Arbeit und Schule unter einen Hut zu bekommen, weil ich wusste, warum ich abends in den Klassenräumen saß.
So, wie das Abendgymnasium organisiert ist, gibt es Berufstätigen die Möglichkeit, den Wunsch nach Weiterbildung quasi ohne Probleme zu erfüllen. Bei der Umsetzung wirkt schon die ständige Anwesenheit im Unterricht Wunder – abgerechnet wird im Abitur. Zum erfolgreichen Schulbesuch gehört auch der Mut zum Lernen und der Biss, am Ball zu bleiben. Hartnäckigkeit bei den Hausaufgaben und auch die Gewissheit, mal scheitern zu können, waren für mich Garanten eines Erfolges, den ich so nicht erwartet hatte.
Das Ergebnis: Ein Abitur, das es mir möglich macht, nicht stehen zu bleiben, es ist das Ticket zum Weitermachen, außerdem bleibt die Erinnerung an eine interessante Zeit. Mein letztes Wort soll den Lehrern gelten. Sie haben uns am Ende zum bestandenen Abitur gratuliert; ich möchte ihnen auch gratulieren – gratulieren dazu, dass sie uns alle zu diesem Erfolg geführt haben.
Just do it!